Ruedi Thomi
Im Winter draussen zu schlafen benötigt etwas mehr Vorbereitung als im Sommer. Verkaufsberater Hansj nutzt sein Zelt in der kalten Jahreszeit als Basislager für Skitouren und campt regelmässig in den Bergen. Hier verrät er seine Tipps.
Eine Nacht im Schnee verbringen – mit der richtigen Ausrüstung ein wunderschönes Erlebnis. Verkaufsberater Hansj gibt Tipps, welcher Schlafsack, welche Isomatte und welches Zelt sich am besten für ein gemütliches Nachtlager eignen. Zudem verrät er, was du am besten zum Schlafen und auf der Tour trägst, wie du auch im Zelt kochen kannst und wie Batterien und Akkus auch bei Minustemperaturen halten.
Hansj, spätestens wenn der erste Schnee fällt, bringen die meisten ihre Zelte und Schlafsäcke in den Keller. Du auch?
Oh nein, für mich beginnt dann erst die schönste Jahreszeit! Wenn ich im Winter mein Zelt aufbaue, ist alles viel ruhiger und friedlicher. Und vor allem ist man fast immer allein.
Aber mal ehrlich, warum sollte ich bei Minusgraden campieren, wenn es daheim doch so schön kuschelig warm ist?
Ich benutze mein Zelt im Winter gerne als Basislager für Skitouren. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn du auf einem schneebedeckten Gipfel bist, dein Zelt aufbaust, ein Fondue kochst und am Abend in aller Ruhe den Sternenhimmel bewunderst. Am nächsten Morgen stehe ich auf, koche Kaffee und bin garantiert der Erste auf der Tour.
Muss man sich quälen können, um im Winter im Freien zu schlafen?
Nein. Es kommt auf die richtige Outdoor-Ausrüstung an. Zusammen mit guter Vorbereitung und etwas Wissen ist gutes Material das Wichtigste.
Das klingt nach Survival-Abenteuer ...
Nein, gar nicht! Wintercamping ist nicht kompliziert, aber mit einem Drei-Jahreszeiten-Zelt und einem Sommerschlafsack ist Übernachten im Schnee kaum möglich. Es braucht spezielle Ausrüstung. Vor allem bei Zelt, Schlafsack und Isomatte sollte man keine Kompromisse eingehen. Das ist zwar relativ teuer, aber mit einigen Tricks kannst du deine vorhandene Ausrüstung optimieren.
«Meistens brauchst du keinen dicken Winterschlafsack. Kombiniere einfach einen Sommer- und einen Übergangsjahreszeiten-Schlafsack.»
Also kaufe ich als Erstes einen dicken Winterschlafsack für ganz kalte Nächte?
Ganz ehrlich? So einen Schlafsack empfehle ich unseren Kundinnen und Kunden eher selten. Weder für den Winter noch für Hochtouren. Du brauchst nicht zwingend einen teuren Schlafsack für minus 20 Grad, der ansonsten die nächsten Jahre im Keller liegt, weil er eigentlich fast immer viel zu warm ist. Wenn man das Geld sparen möchte oder muss, gibt es eine gute Alternative.
Also besser frösteln?
Nein, viel besser: Ich habe sowieso einen Sommerschlafsack für Temperaturen bis null Grad und einen Schlafsack für die Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst, der reicht bis minus fünf Grad. Im Winter stecke ich beide Schlafsäcke zusammen – mehr brauchts nicht!
Das funktioniert?
Ja, meine kälteste Nacht war bisher bei minus 33 Grad und ich habe nicht gefroren. Meine beiden Schlafsäcke wiegen zusammen circa 1500 Gramm. Ein einzelner dicker Winterschlafsack ist etwa genauso schwer. Packmass und Gewicht sind also fast gleich, aber ich kann die beiden Schlafsäcke rund ums Jahr gebrauchen. Von Frühling bis Herbst separat, im Winter kombiniert.
Geht das mit jedem Schlafsack?
Die Kombination muss passen: Mit einem Null-Grad-Modell und einem Minus-fünf-Grad-Modell deckst du praktisch alles ab. Es ginge theoretisch auch ein Modell für minus zehn Grad und ein ganz leichter Sommerschlafsack. Deshalb frage ich meine Kundinnen und Kunden immer, ob sie einen kompatiblen Schlafsack haben, und suche den passenden Zweitschlafsack aus. Mit beiden Schlafsäcken können sie dann rund ums Jahr campieren.
Welche Temperaturangabe ist entscheidend? Komfort, Limit oder Extrem?
Unterm Strich ist nur eine Angabe wirklich wichtig: der Komfortbereich. Einzig in diesem Bereich fühlst du dich wohl und bist zufrieden – und darum geht es. Natürlich hat jeder Mensch ein individuelles Kälteempfinden, da hilft nur Ausprobieren. Frauen brauchen übrigens üblicherweise einen fünf Grad wärmeren Schlafsack als Männer.
Welche Füllung ist besser: Daune oder Kunstfaser?
Wenn ich den Schlafsack selber, also im Rucksack, tragen will, empfehle ich Daune. Kunstfaser kostet zwar deutlich weniger und ist pflegeleichter, ist aber auch doppelt so gross im Packmass und doppelt so schwer. Das funktioniert nur mit Schneemobil oder Hundeschlitten.
Auf was muss ich noch achten?
Der Schlafsack muss passen. Wenn ich einen zwei Meter langen Schlafsack habe, aber nur 1.70 Meter gross bin, dann muss ich mit meiner Körperwärme unnötige 30 Zentimeter Luft im Inneren des Schlafsacks aufwärmen. Dann verschiebt sich die Komforttemperatur von minus fünf plötzlich auf plus zwei Grad. Der Schlafsack sollte auch auf Körperbau und Schlafgewohnheiten abgestimmt sein. Wer etwas athletisch ist oder unbedingt eine gewisse Bewegungsfreiheit haben möchte, braucht beispielsweise eher einen breiten. Es gibt auch spezielle Schlafsäcke für Frauen. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, bei uns in der Filiale verschiedene Modelle Probe zu liegen.
Wie finde ich die richtige Länge?
Wenn man sich hinlegt, die Kapuze schliesst und aufsitzt, darf nichts spannen. Fünf Zentimeter Platz über dem Kopf, dann ist es ideal.
Und wenn der Schlafsack doch etwas zu gross ist?
Dann kann man überschüssiges Volumen mit Bekleidung auffüllen: Ich trage zum Einschlafen immer eine Daunenjacke. Später in der Nacht schiebe ich sie dann nach unten. Die Füsse bekommen dadurch Extra-Isolation und am nächsten Morgen ist die Jacke kuschelig warm.
Kann ich mit einem Inlett auch noch ein paar Grad Wärme herausholen?
Ich persönlich halte nicht viel davon. Ein Seiden- oder Baumwollinlett ist aus meiner Sicht vor allem ein Hygieneartikel. Beim Schlafengehen gibt es aber häufig ein Durcheinander. Viel wichtiger ist ein ultraleichter Biwaksack. Der gehört bei Hochtour, Skitour oder Wintercamping in jeden Rucksack ins Notfallkit. Das ist eine geschlossene Rettungsdecke und kann einem bei einer ungeplanten Übernachtung im Schnee das Leben retten. Er sollte deshalb wie Schaufel, Sonde und LVS immer dabei sein!
«Das Zelt spanne ich mit Schneeankern – und mit Schaufel, Pickel und allem, was ich dabeihabe.»
Hast du weitere Tipps zum Schlafsack?
Ja. Packe den Schlafsack möglichst früh aus, schüttle ihn und breite ihn im Zelt aus. Voll entfaltet isoliert die Daunenfüllung am besten. Am nächsten Morgen lüftest du den Schlafsack im Zelt oder in der Sonne und lässt ihn trocknen. Denn feuchte Daune verliert stark an Volumen und isoliert auf Dauer nicht mehr gut.
Zum warmen Bett fehlt nun noch eine gute Matratze.
Im Winter funktionieren eigentlich nur Luftmatten mit einer Dicke von mehr als sechs Zentimetern. Da gehst du besser keine Kompromisse ein. Selbstaufblasende Matten sind mir persönlich zu schwer und zu gross.
Warum ist die Matte so wichtig?
Du kannst im wärmsten Schlafsack liegen, aber mit einer schlechten Isomatte schlägt die Kälte von unten durch. Denn du drückst mit deinem Körpergewicht die isolierenden Daunen unter dir ja platt. Warmer Schlafsack und schlechte Matte funktionieren nicht, genauso umgekehrt. Es muss die richtige Kombination sein.
Was muss ich beim Kauf einer Isomatte noch beachten?
Die Isomatten mit Daunenfüllung auf keinen Fall mit dem Mund aufblasen, denn es darf keine Feuchtigkeit reinkommen. Nutze dafür den Pumpsack, der zu den Systemen dazugehört.
Was trägst du im Schlafsack – bist du nackt oder im Pyjama?
Ich liege lieber angezogen im Schlafsack. Alles, was du trägst, isoliert zusätzlich.
Also warm einpacken, auch im Schlafsack?
Genau! Ich trage beim Schlafen lange Merino-Unterwäsche. Dazu eine Daunenjacke zum Einschlafen, die ich später runterschiebe. Dann noch eine Mütze auf dem Kopf und ein Buff als Kragen.
Dein Trick gegen kalte Füsse?
Warme Socken! Nimm deshalb immer ein zweites, trockenes Paar mit, weil die Socken vom Tag immer verschwitzt und feucht sind. Im Zelt trage ich Daunenfinken, ich will ja nicht mit Tourenskischuhen rumsitzen. Und beim Kochen mache ich Wasser heiss und fülle es in eine Thermosflasche. Vor dem Schlafen kommt das heisse Wasser in eine Trinkflasche. Ein Socken drüber, ab an die Füsse, fertig ist die kuschelige Wärmflasche! Und zum Frühstück hast du bereits lauwarmes Wasser zum Kochen und musst nicht erst frischen Schnee schmelzen.
Was passiert mit den feuchten Socken?
Die kommen mit in den Schlafsack, ganz nach unten. So sind sie am nächsten Morgen getrocknet und warm.
Was trägst du auf der Wintertour?
Auf einer Skitour trage ich zuunterst Merino – wenn es windet oder schneit, noch eine Gore-Tex-Jacke drüber, aber nicht mehr. Sobald ich stoppe, ziehe ich eine Daunenjacke über alles, dazu vielleicht noch eine kurze Primalofthose.
Campen im Sommer ist so einfach: Zelt aufbauen, Schlafsack auspacken, Isomatte ausrollen, fertig. Geht das auch im Winter?
Nein, auf keinen Fall; du brauchst ein Vier-Jahreszeiten-Zelt. Dieses hat ein bis zum Boden gezogenes Aussenzelt, damit Wind keinen Triebschnee ins Zelt weht. Und es ist mit einem komplett geschlossenen Innenzelt ausgestattet und insgesamt widerstandsfähiger konstruiert als ein Sommerzelt.
Wie stellt man ein Zelt im Schnee auf? Da hält doch kein Hering …
Mit Schneeschuhen oder Ski trample ich zuerst eine ebene Fläche. Für die wichtigsten Abspannungen nehme ich sechs Schneeanker. Den Rest befestige ich mit Ski, Schaufel, Pickel und Stöcken. Also mit Dingen, die ich sowieso dabeihabe.
Dann ab ins Zelt und alle Schotten dicht, damit keine Wärme entweichen kann?
Den Fehler habe ich bei meiner ersten Winterübernachtung 2007 auf dem Wildspitz auch gemacht. Bei minus 16 Grad hatte es nachts zu winden begonnen. Innen im Zelt war das Schwitzwasser gefroren und rieselte als Schnee auf meinen Schlafsack. Alles wurde nass! Im Winter muss man sich gut anziehen, einen warmen Schlafsack benutzen und das Zelt maximal belüften!
Haben Winterzelte einen anderen Grundriss als Sommerzelte?
Nein, aber ich nutze im Winter immer ein Zelt mit grossem Vorraum, damit ich auch im Zelt kochen kann.
Stichwort Kohlenmonoxidvergiftung: Ist es nicht gefährlich, im Zelt zu kochen?
Nicht, wenn man die richtigen Vorsichtsmassnahmen trifft: Dafür grabe ich direkt an der Kante vom Innenzelt einen 50 Zentimeter breiten und 100 Zentimeter tiefen Graben in den Schnee. Ich kann dann auf meiner Isomatte im Innenzelt sitzen, die Beine baumeln lassen und bequem vor mir kochen. Das Kohlenmonoxid (CO), das beim Kochen auf einer offenen Flamme zwangsläufig entsteht, ist schwerer als Luft und sinkt in den Graben. Das ist nicht nur sicher, sondern auch bequem und praktisch. Ausserdem kann ich mich in dem Graben stehend umkleiden oder die Matte einrollen. Der CO-Graben ist mit ein Grund, warum ich so gerne im Winter zelte: Für mich persönlich ist es einfach viel komfortabler als im Sommer.
Wenn es kalt ist, funktionieren Gaskocher nicht richtig, oder? Bleibt nur Benzin?
Ich persönlich bin kein Fan von Benzinvergasern. Einen Benzinkocher musst du pumpen, vorheizen, dabei gibt es eine riesige Flamme und er lässt sich schlecht regeln. Ich mache häufig Fondue und mit einem Benzinkocher musst du ständig die Pfanne rauf- und runternehmen – das ist mir zu viel Stress. Es gibt spezielles Wintergas, das funktioniert problemlos bis minus 15 Grad.
Und das zündet immer?
Mit Gas hatte ich bei Kälte noch nie Probleme. Eine kleine Kartusche trage ich beim Laufen immer am Körper und beim Kochen lege ich die Kartusche mit Gasleitung einfach in den Topf mit warmem Wasser, bis der Kocher richtig brennt.
Im Winter verbrennt man sehr viele Kalorien, man sollte besser nicht hungrig ins Bett, oder?
Genau, im Winter brauche ich energiereiche Nahrung, und was gibts Besseres als fettes und proteinreiches Fondue? Ich hole die fertige Lieblings-Käsemischung bei meinem Käseladen, gebe etwas Knoblauch hinzu und esse es mit einem Stück Brot. Oder ich esse Couscous: einmal Wasser aufkochen, aufgiessen, quellen lassen. Das ist schnell gemacht. Mit der Bratpfanne noch Gemüse anbraten, Zwiebeln, Knoblauch, Käse drauf, fertig!
Ein Vorteil beim Zelten im Schnee ist, dass man kein Wasser mitschleppen muss, oder?
Genau – aber Vorsicht: Nicht den Topf auf den heissen Kocher stellen und einfach ganz viel Schnee reinstopfen. So geht der Topf kaputt. Wenn der Schnee keinen Kontakt zum Topfboden hat, kann auch erst das Alu durchbrennen. Besser nur ein wenig Schnee einfüllen und schmelzen lassen. Erst dann, wenn etwas warmes Wasser im Topf ist, ganz mit Schnee füllen.
Die Tage im Winter sind kurz, da braucht es eine Lichtquelle. Wie machst du das?
Ich habe immer eine Stirnlampe dabei. Die ist praktisch, weil man die Hände frei hat. Ausserdem nehme ich als Standlicht eine aufblasbare LED-Solarlampe mit. Dazu packe ich Powerbank und Ladegerät für Lampen, Kamera und mein Smartphone ein.
Aber Akkus mögen Kälte fast noch weniger als wir Menschen!
Das stimmt. Deshalb trage ich Batterien und Akkus tagsüber am Körper. Bei minus 30 Grad entladen sich alle Batterien. Den Akku vom Fotoapparat setze ich nur beim Fotografieren ein und nehme ihn danach wieder raus. Während der Nacht lege ich Elektronik und Stromversorgung mit in den Schlafsack. Das ist übrigens für alles empfehlenswert, was auf keinen Fall einfrieren darf, wie auch Kontaktlinsen.
(Mit der TransaCard immer kostenlos)