Julian Rohn
Beim «Clean Climbing» sichert man seine Routen mit mobilen Sicherungsgeräten selbst ab – und hinterlässt so keine Spuren. Die deutsche Pfalz mit den Buntsandsteinfelsen ist dafür das perfekte Trainingsgebiet. Vier Transa Mitarbeitende berichten von ihrer Tour mit der Bergschule Höhenfieber.
Wer hier der wahre Könner ist, zeigt sich irgendwann auf eineÂm sonnigen Stück Fels in etwa zehn MeteÂÂr Höhe über dem Boden. Beide Füsse klemmen in einem Riss, mit der linken Hand halte ich an einer kleinen Kante das Gleichgewicht, mit der rechten Hand versuche ich einen Friend zu platzieren und mich daran zu sichern. Während ich hoffe, dass mir nicht die Kraft ausgeht, flitzt eine Eidechse über den glatten Fels neben mir und verschwindet weiter oben in einer Spalte. Ich folge deutlich langsamer und weniger elegant, bis die Route schliesslich auf einem kleineÂÂn Turm aus rotem Buntsandstein endet, knapp über den Baumwipfeln. Ringsum ragen weitere Felsen aus dem grünen Mischwald und kleine Ortschaften verteilen sich zwischen den sanften Hügeln. Ich denke spontan: Der Pfälzerwald ist nicht nur für EidechseÂÂn ein Paradies.
Das Felsklettern in der Pfalz hat nicht nur eine grosse Tradition, sondern auch seine Eigenheiten. Der Einsatz von Chalk wird erst ab Schwierigkeiten von 7+ geduldet. Haken sind hier sogenannte Ringhaken und man findet davon nur wenige. Weil aber das Gestein viel härter ist als etwa im Elbsandsteingebirge, sind in der Pfalz auch Klemmgeräte wie Friends oder Klemmkeile erlaubt. Überall wo es Risse gibt, kann man also sehr gut selber seine Zwischensicherungen legen
Genau deshalb sind wir hier: Die Verkaufsberatenden von Transa Sasa, Swinde, Dominique, Gian und ich, Julian, 4-Seasons-Redaktor. Wir wollen vom Höhenfieber-Bergführer Jörn Heller lernen, wie man Routen mit mobilen Sicherungsmitteln absichert. Diese Art des Felskletterns nennt man «Trad Climbing» oder «Clean Climbing», weil man bei einer Begehung keine Spuren hinterlässt.
Als wir an unserem ersten Tag von Basel aus in der Pfalz ankommen, müssen die richtigen Felsen erst mal vom Regen abtrocknen. Weil wir ohnehin lieber gut vorbereitet in unsere erste Clean-ClimbingÂ-Route einsteigen wollen, üben wir zunächsÂÂt an einer künstlichen Mauer aus groben Steinblöcken mit perfekten Zwischenräumen. Egal ob 2er-ÂCamalot oder 5er-Stopper – hier findeÂn wir für alle mobilen SicherungsmögÂlichÂkeiten den passenden Riss. Der anschliessende BelastungsÂtest per Fussschlinge erfolgt in moderateÂÂr Höhe. Bricht etwas aus, hat das keine ernsteÂn Konsequenzen. Wir setzen Sicherung um SicherunÂÂg, traversieren in den Fussschlingen hin und her und bekommen ein erstes Gespür, was hält und was nicht.
Die Südwand des Hochsteins trocknet schliesslich am schnellsten ab und wir gewöhnen uns zunächst im Toprope an den echten Pfälzer Buntsandstein. Das eher weiche Sedimentgestein hat wirklich eine etwas sandige Oberfläche und ist einfach anders als der Gneis, Kalk oder Granit, den die meisten unserer Gruppe vom Sportklettern oder aus alpinen Mehrseillängen gewöhnt sind. Wir finden feine Einseillängen im fünften bis unteren sechsten Schwierigkeitsgrad und lernen: In der Pfalz kriegt man nichts geschenkt. Auch in den niedrigen Schwierigkeiten muss man sauber klettern. Gleichzeitig wiederholt Jörn mit uns die Grundlagen des Sicherns. So sind alle auf demselben Stand, bevor es ernst wird. Auch den Aufbau eines korrekten Standplatzes frischen wir auf – mit dem kleinen, aber wichtigen Unterschied: ganz ohne Bohrhaken. Da schaut man noch mal doppelt hin, ob der Cam auch wirklich sitzt.
Schliesslich wagen wir uns an die erste Mehrseillängen-Tour. In zwei Seilschaften geht es die «Graue Wand» im mittleren Teil des Hochstein-Massivs hinauf. Für die Vorsteigenden ist das scharfe Seilende jetzt extra scharf. Sie müssen die Sicherungen setzen, an denen letztlich ihre ganze Seilschaft hängt. Gut, dass die Schwierigkeiten mit 4+ weit unter unseren persönlichen Limits liegen. So haben wir ausreichend Reserven, um uns voll auf das korrekte Setzen der ZwischenÂsicherungen zu konzentrieren.
Bergführer Jörn klettert mit und gibt Tipps. Etwa dass man sich schon vor dem Losklettern eine Taktik zurechtlegt: Wo kann ich gut stehen und eine Sicherung legen? Dass man die Klemmgeräte möglichst schon in der benötigten Reihenfolge an den Gurt hängt. Dass man direkt vor und nach einer schwereÂÂn Stelle möglichst eine Sicherung legt. Dass man die Seilreibung so gering wie möglicÂÂh hält, indem man konsequent die Exen verlängert – und, und, und …
Unsere Köpfe rauschen vom vielen Input, den wir jeden Tag bekommen. Gut, dass zu einem Klettertrip in die Pfalz auch unbedingt der Genuss gehört. Unser Basislager ist ein uriger Landgasthof in Hinterweidenthal mit toller, lokaler Küche. Es ist Herbst. Es gibt neuen Wein mit Zwiebelkuchen – und wer mag, wagt sich an den berühmten PfälzeÂÂr Saumagen mit Kastanien. Bei so einer Verpflegung kann man die Lektionen des Tages noch mal entspannt RevuÂÂe passieren lassen. Auch wenn wir uns weitab der grossen Berge befinden, sind wir in einer der geschichtsträchtigsteÂn Kletterregionen Europas unterwegs. Hier wurde das FreiÂklettern kultiviert. Akteure wie Reinhard Karl und Wolfgang Güllich haben in der Pfalz ihre ersten Ausrufezeichen gesetzt, ehe sie im Frankenjura, in Pakistan oder Patagonien ihre international anerkanntÂÂen Leistungen ablieferten.
Nicht nur im Kletterführer stolpert man über grosse Namen, früher oder später steht man zwangsläufig vor einer legendären Route. So wie am Bruchweiler Geierstein. Wie fast überall in der Pfalz ist der Zustieg vom Parkplatz nur kurz. Wir nähern uns dem Massiv von seiner spektakulären Seite. Wie ein grosser Schiffsbug taucht die Stirnseite der Felsmauer zwischen den Bäumen auf. Wir blicken direkt auf die «Superlative», die 1978 von Wolfgang Güllich und seinem Seilpartner Thomas Nöltner erstbestiegen wurde.
Die glatte «Acht» galt damals als schwerste freie Kletterei Westdeutschlands und verursachte Streit: Güllich und Nöltner hatten die Route mit Seilsicherung von oben ausgecheckt und sogar Ringhaken eingebohrt. Das entsprach nicht der örtlichen Kletterethik, die damals nur eine Erschliessung von unten zuliess. Es entwickelte sich ein Hin und Her, das als Teil des «Pfälzer Hakenstreits» die Szene aufrüttelte. Nicht nur die Haken wurden mehrfach abgeschlagen und wieder ersetzt. Als bizarrer Höhepunkt wurde die Route mit Altöl beschmutzt, um sie zu zerstören.
Den Ölfilm kann man noch immer erkennen, trotzdem ist diese legendäre Route wieder kletterbar – nur nicht ganz unsere Liga. Wir finden aber direkt daneben, an der Südwand des Geiersteins, unsere eigene Herausforderung und trauen uns nach dem Training der vergangenen Tage auch die Kletterschwierigkeiten zu erhöhen. Die Verschneidung «Schnapsweg» (6Â-) zählt zu den besten Routen in diesem Schwierigkeitsgrad in der Pfalz und wir steigen sie alle an selbst gelegten Sicherungen vor.
Ein paar Meter hinter unserer Unterkunft ragt übrigens der sogenannte Teufelstisch aus dem Eichenwald. Wie ein riesiges Schwämmli liegt eine massive Felsplatte auf einem verhältnisÂmässig dünnen Stiel. Die 284 Tonnen schwere Platte schützt den Stiel vor weiterer Erosion. Drei spektakuläre Routen führen durch das Dach hinauf auf den Tisch, die leichteste ist eine 6+. Aber es gibt kaum Haken und noch weniger Risse für mobile Sicherungen – wer an der falschen Stelle fällt, riskiert auch mit Seilsicherung einen Sturz bis zum Boden. Wir verzichten – man muss ja auch noch Ziele für ein nächstes Mal haben.
Neben gutem Wein ist die Pfalz bekannt für rote Sandsteintürme zwischen Kiefern und farbigen Laubbäumen. Die Risssysteme müssen zwingend selbst abgesichert werden. Nur in Wandklettereien finden wir fixes Hakenmaterial. Ein idealer Spielplatz, um den Erfahrungsschatz zu erweitern und Skills auch für alpine Tradrouten aufzubauen.
Programm
1. Tag: Gemeinsame Anreise aus Basel in die Pfalz. Klettern und Ausbildung am Nachmittag.
2. – 4. Tag: Täglich besuchen wir die umliegenden KletterÂgebiete und tasten uns Schritt für Schritt an die Materie «Clean Climbing» heran. Die Felsmassive, Türme und Wände liegen verstreut in den Wäldern der Pfalz. Am Nachmittag nach dem vierten Klettertag treten wir die Heimreise an.
Unterkunft: Das Hotel am Teufelstisch liegt mitten im Wald. Wir lassen uns im gutbürgerlichen Landgasthof von saisonaler und regionaler Küche verwöhnen und gelangen in wenigen Fahrminuten zu den Felsen.
Preis: CHF 1’095.– p. P. (die Fahrkostenbeteiligung für die Fahrt von Basel in die Südpfalz und zurück inklusive Benzin beträgt CHF 120.–).
Leistungen: 4 – 6 Gäste pro Bergführerin / Bergführer, 3 Nächte im DZ mit DU / WC, 3 x Halbpension, Fahrten im Gebiet, Gruppenmaterial.
Infos & Buchung: Höhenfieber AG, Die Berg- und Kletterschule, Platz 6, CH-6039 Root D4 | Tel. 032 / 361 18 18 |
info@hoehenfieber.ch | hoehenfieber.ch |
Tour-Webcode: 815
(Mit der TransaCard immer kostenlos)