Martina und Tobias Baumeler, Frieda Maelle
Mit ihrem 25 Jahre alten Land Rover «Olga» reisen Martina und Tobias auf unbestimmte Zeit durch die Welt. Hier erzählen sie von ihrer Reise.
Hier sitzen wir nun also. Gefangen im Sandsturm, seit elf Tagen nicht geduscht, soeben in einem fremden Land angekommen, nachdem wir kurz vor der Grenze in der Wüste das Auto drei Stunden lang nicht mehr starten konnten.
Zudem hat auch unser Kühlschrank den Geist aufgegeben. Wir haben Hunger, aber keine Energie zum Kochen. Also stopfen wir das Loch in unserem Bauch mit einer faden Instant-Nudelsuppe, kriechen in unser «Notbett» und schlafen im vom Winde schaukelnden Auto und mit Sand in jeder Ritze ein. Aber fangen wir von vorne an: Wir sind Tobias und Martina, zwei junge Ostschweizer mit grosser Abenteuer- und Reiselust. Unsere sicheren Jobs haben wir gekündigt, die heimelige Wohnung geräumt, viele materielle Dinge verschenkt oder verkauft und uns von unseren Familien und Freunden auf unbestimmte Zeit verabschiedet. Ende März 2021 haben wir unseren Land Rover Defender «Olga» mit all unseren Habseligkeiten bepackt und sind Richtung Osten losgefahren. Nach 39’000 Kilometern befinden wir uns inzwischen in Saudi-Arabien.
Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätten wir unseren Landy letzten November in Wladiwostok in einen Container geladen und nach Kanada verschifft. Von dort aus wären wir die Panamericana runter bis nach Argentinien gefahren. Doch wie das nun mal so ist mit Plänen – das Leben hält sich selten an sie.
Schon zwei Tage nach Abfahrt in der Schweiz sind wir in Kroatien. Im europäischen Teil unserer Reise wollen wir schnell vorankommen, es zieht uns in die Ferne, zu neuen Kulturen, weit weg von allem uns Bekannten. Diese Rechnung haben wir aber ohne unseren 25-jährigen Defender gemacht. Am achten Reisetag müssen wir das komplette Vorderdifferential austauschen lassen. Die Kosten dafür sind höher als unser gesamtes Monatsbudget. Wir verbringen mehrere Tage im Zelt auf einem verschneiten Campingplatz und warten auf die Reparatur.
«Nun gut», trösten wir uns, «wir fahren das Auto schon seit drei Jahren und haben nun den ersten Schaden.» Dass das jedoch erst der Auftakt für eine wahre Pannen-Odyssee ist, ahnen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. In Montenegro fallen der Viskolüfter, ein Spritzschutzlappen und eine LED aus. Und das Differential muss erneut gemacht werden, weil der letzte Mechaniker gepfuscht hat. In Albanien tauschen wir die Bremszylinder und das hintere Kreuzgelenk aus, in Griechenland die Frontscheibe.
In der Türkei verlieren wir beinahe unser Vorderrad, da die Schrauben im Achsschenkelgehäuse handlose waren. Aber unsere alte, gebrechliche Olga bringt uns weiterhin unbeeindruckt von A nach B. Wir fahren durchatemberaubende Landschaften, treffen interessante Menschen, kiten im Meer, besteigen Berge und erkunden viele herausfordernde Offroad-Pisten. Wir geniessen die Freiheit, die Abenteuer und die Möglichkeit, einfach in den Tag hineinzuleben.
Nach drei Monaten erreichen wir Kappadokien – ein beliebtes Reiseziel bei Overlandern. Auch uns faszinieren die Felsformationen, über denen jeden Morgen Hunderte Heissluftballone aufsteigen. Wie sich herausstellt, soll dieser Ort für längere Zeit zu unserem unfreiwilligen Zuhause werden ...
Wie so oft erkunden wir an einem warmen Sommertag die Umgebung. Dabei gelangen wir auf eine Strasse, die wir besser nicht gewählt hätten. Das Terrain ist sehr anspruchsvoll und an ein Wenden ist in dem engen Canyon bald nicht mehr zu denken. Wir tasten uns im Schritttempo voran, als es passiert: Das Vorderrad rutscht ab, Olga überschlägt sich mit lautem Krachen und kommt schliesslich – nur gebremst durch einen Busch – in einem Steilhang zum Stillstand.
Wir sind wie gelähmt. Alles ist still, doch in uns drin herrscht Chaos. 1000 Gedanken schwirren uns durch den Kopf. Ist unsere Reise nun vorbei? All das umsonst, worauf wir mehrere Jahre hingearbeitet haben? Alles kaputt, was wir liebevoll aufgebaut haben? Alle Träume zerplatzt?
Zum Glück ist niemand ernsthaft verletzt. Olga jedoch hat es schlimm erwischt: Der Dachträger ist runtergerissen, etliche Fenster sind eingeschlagen, wichtige Karosserieteile stark verbogen oder ganz gebrochen. Wir brauchen fünf Stunden, um Olga wieder auf die Strasse zu bekommen. Zu unserer Überraschung schafft sie es aus eigener Kraft in die Werkstatt. Egal, was passiert – fahren kann so ein alter Land Rover scheinbar immer!
Martina war bis zum Beginn ihrer Weltreise als Fachspezialistin für betriebliches Gesundheitsmanagement und Personal- und Organisationsentwicklung tätig. Tobias ist gelernter Metallbauer und hat zuletzt als Projektleiter in St.Gallen gearbeitet. Weil Martina und Tobias nicht wissen, wie lang ihre Reise dauern wird, haben beide ihre Jobs und die gemeinsame Wohnung gekündigt. Wer den beiden Overlandern auf der Spur bleiben will, kann das auf Instagram tun:
Hakan restauriert seit 15 Jahren Defender und will nun auch Olga wieder auf Vordermann bringen. Am Ende dauert das drei Monate. Eine Zeit mit vielen emotionalen Tiefpunkten. Oft glauben wir nicht mehr an ein gutes Ende, wir sind verunsichert, genervt und energielos. Aber weil wir gut versichert sind und dank Hakans unermüdlichem Einsatz muss Olga nicht verschrottet werden. Die vielen Wochen Zwangspause haben uns einiges fürs Leben gelehrt. Etwa, dass es immer eine Lösung gibt, egal wie aussichtslos die Lage auch scheint. Rückblickend wollen wir diese Erfahrung nicht mehr missen.
Unsere Reise geht weiter in den wunderschönen Kaukasus. Wir fahren ins grüne Georgien und bereisen Armenien mit seinen vielen Bergen und Hügeln. Leider erspart uns auch Olga 2.0 nicht jegliche Autoprobleme. In Georgien tauschen wir die Kupplung und den Alternator aus und lösen das Überhitzungsproblem des Motors. Im winterlichen Armenien verabschiedet sich die Standheizung bei minus 20 Grad und zu allem Übel bricht auch noch eine Steckachse. Neue Teile müssen aus Deutschland und Holland beschafft werden. Wir warten 25 Tage auf die Lieferungen und Zollfreigaben.
Uns fällt auf, dass wir bereits mehr als ein Drittel unserer Reisezeit bei Mechanikern verbracht haben – nicht mitgezählt die Tage, an denen wir auf Ersatzteile warteten oder Autoprobleme selbst lösten. Ganz ehrlich, das nagt ziemlich an unserer Energie. Es ist anstrengend und frustrierend. Immer wieder kommt uns der Gedanke, die Reise abzubrechen. Doch unsere Neugier und Reiselust sind zu gross und so treibt es uns weiterhin von Abenteuer zu Abenteuer.
Im fernen und eindrücklichen Iran wird es endlich etwas ruhiger um unseren Defender und wir können uns voll und ganz aufs Reisen fokussieren. Wir durchqueren mehrere Wüsten, besuchen Basare und Moscheen, lernen die persische und belutschische Kultur kennen und werden von den Einheimischen herzlich in ihrem Land willkommen geheissen. Nicht nur die einzigartige Gastfreundschaft, auch die Natur lässt uns oft sprachlos zurück. Manchmal können wir unseren Augen kaum trauen, so schön, so aussergewöhnlich, so farbig ist alles. Die Landschaft verändert sich so schnell, dass wir mit dem Verarbeiten der Eindrücke gar nicht hinterherkommen. Und das, obwohl wir mit Olga auf schlechten Strassen und in gemächlichem Tempo unterwegs sind.
Nach zweieinhalb Monaten im Iran und drauf und dran, das Land zu verlassen, verweigert das Kreuzgelenk zum zweiten Mal seinen Dienst. Aber dank der überwältigenden Unterstützung der grossen Defender-Community kann der Defekt rasch behoben werden. Unsere Reise geht weiter im Transit durch Irak und Kuwait bis nach Saudi-Arabien.
Saudi-Arabien empfängt uns sehr herzlich und traditionell: Wir verbringen Zeit auf einer Farm in der Wüste und dürfen bei einem Kamelrennen dabei sein. Doch um der unerbittlichen Hitze zu entfliehen, reisen wir schnell weiter in den Süden der Arabischen Halbinsel. So fahren wir in die Vereinigten Arabischen Emirate und dann weiter in den Oman. Wir sind fasziniert von der Weite, der Ruhe der Wüste und den imposanten Dünen. Leider bleiben wir unserem Motto treu: neues Land, neues Autoproblem. In allen 17 Ländern, die wir bisher bereist haben, hatten wir mit kleinen und grossen Defekten zu tun. Aber genauso treu bleibt uns auch die Erkenntnis: «Es findet sich eine Lösung und irgendwie geht es immer weiter.»
Von Zeit zu Zeit beneiden wir Reisende, die mit weniger Fahrzeugstress um die Welt reisen, doch wir richten unseren Blick immer wieder auf das, was wir durch die Herausforderungen alles lernen und erleben konnten. Die Kontakte, die dadurch entstanden sind, sind einzigartig, und die Erinnerungen bleiben ein Leben lang. Nie werden wir vergessen, wie lecker die Pide von unserem türkischen Mechaniker geschmeckt haben. Nie wird die Erinnerung an den selbst gebrannten Cognac verblassen, den wir morgens mit georgischen Autoschraubern getrunken haben. Und auf ewig werden wir die enorme Hilfsbereitschaft der internationalen Defender-Community zu schätzen wissen. Wir sind dankbar für alle Erlebnisse, alle Begegnungen und das riesengrosse Privileg, die Welt bereisen zu dürfen.
Unser Weg führt uns nun noch weiter um die Welt. Unsere Reiselust ist noch nicht gestillt. Wo wir am Ende landen werden? Wir wissen es nicht. Wir haben gelernt, uns nicht an fixe Pläne zu klammern. Denn nur so können wir Platz für neue Ideen und Wege schaffen.
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