Raphael Zeller
Bushcrafting ist für Philippe mehr als das Beherrschen von Survival-Skills. Er weiss, wie du Anfängerfehler vermeidest und wieso einem das Handwerk des Überlebens in der Wildnis auch in einem dicht besiedelten Land wie der Schweiz von Nutzen ist.
Bushcraft umfasst alles, was du brauchst, um draussen überleben zu können. Philippe kennt sich aus und gibt dir einen Einblick in das Know-how des Überlebens in der Wildnis.
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Philippe, was bedeutet für dich Bushcraft?
Was wir heute als Bushcraft bezeichnen, ist eine schwache Version von Survival. Eigentlich war es bis zum Zweiten Weltkrieg der Alltag der meisten Menschen. Bushcraft ist eine Mischung von Natur und Handwerk. Es ist das Leben, wenn wir Menschen nicht alles beherrschen. Es ist für uns das Akzeptieren von Grenzen. Bushcraft verlangt von uns eine grosse Anpassungsfähigkeit, Beobachtungsfähigkeit, Wachsamkeit und Genügsamkeit. Bushcraft ist Leben in unserer natürlichen Umgebung. Und diese kommt manchmal schneller zurück, als uns lieb ist – beispielsweise bei einem Erdrutsch, einer Strompanne oder Ähnlichem.
Was hingegen Bushcraft nicht ist, sind Holzburgen im Wald bauen, Überreste von Unterständen zurücklassen und so weiter. Und bei Trockenheit ist Feuer keine gute Idee. Es macht dann wenig Sinn und ist zudem gefährlich. Ich glaube, wir sollten wie Schatten vorbeigehen. Letztlich bedeutet Bushcraft für mich, das eigene Leben zu besitzen. Ich kontrolliere das, was ich kann, und passe mich beim Rest an. Es ist die totale Verantwortung.
Bushbox, Feuerstein und UnterschlupfFeuer machen ohne Feuerzeug − wie lerne ich das?
Erfolg braucht Geduld und viel Material. Je schlechter, also in diesem Fall je feuchter die Verhältnisse sind, desto mehr Material brauchst du. Die Funken, die wir durch Feuerstahl oder beim Feuerbohren herstellen, haben relativ wenig Energie. Wir müssen sie also sorgfältig einfangen und vermehren. Dafür brauchen wir Materialien mit einer grossen Oberfläche. Harzhaltiges Holz ist interessant, weil das Harz sogleich verdampft und sich leicht entzündet. Dasselbe gilt für Birkenrinde. Wichtig ist, genug Material bereitzuhaben: Wenn die erste kleine Flamme weiteres Material noch trocknen muss, dann muss sie dementsprechend lange brennen können. Es gibt keine Abkürzung.
Benutzt du lieber eine Bushbox oder einen Kocher?
Klar, die Bushbox bevorzuge ich aus Liebe zum Feuer, weil ich den Rauchgeschmack in meiner Kleidung liebe. Als Kind war ich fasziniert von einem Feuer, das ein Freund meiner Eltern auf dem Schnee entfacht hatte. Wir sassen auf eineinhalb Meter Schnee und wärmten unser Essen am Feuer. Das blieb mir in Erinnerung. An der Bushbox mag ich die sichtbaren Konsequenzen im Hier und Jetzt: Das Holz habe ich in der Nähe selbst gesammelt. Die Ressourcen, die das Feuer kostet, sind also direkt sichtbar. Aber auch Kocher haben ihre Berechtigung und ich nutze sie gerne. Ihre Effizienz und kleine Grösse sind unschlagbar und – mit grosser Vorsicht – kann ich sie auch mal im Auto oder im Zelt brauchen.
Wo finde ich den richtigen Platz für ein Tarp?
Dafür braucht es Übung. Eine definitive Antwort gibt es nicht, weil es immer auf die Verhältnisse und Bedingungen ankommt. Im Sommer ist ein leichter Wind willkommen − er kühlt und vertreibt Insekten. In der kalten Jahreszeit ist es genau andersherum, dann möchten wir geschützt sein. An Bäumen abzuspannen ist naheliegend. Wenn du etwas Übung hast, kannst du dafür auch Gegenstände deiner Ausrüstung brauchen, zum Beispiel Trekkingstöcke oder Paddel.
Natürlich kommt es auch darauf an, wofür du das Tarp brauchst. Soll es eine Gruppe während der Rast schützen oder übernachten ein, zwei Personen darunter? Unterschiedliche Zwecke verlangen unterschiedliche Orte.
Dein Abenteuer draussen: richtig vorbereitenWelche Fehler passieren Neulingen häufig und liessen sich leicht vermeiden?
Vermeintliche Abkürzungen nehmen. Damit meine ich den Hang zur Faulheit, den wir Menschen manchmal haben. Wenn wir können, nehmen wir den einfachsten Weg. Häufig wird dann mit Ausreden wie «Es ist gut genug», «Es wird schon nicht regnen» oder «Der Wetterbericht ist gut» geschummelt. Je mehr Erfahrung du hast, desto weniger Reserven sind nötig. Aber insbesondere zu Beginn ist es wichtig, dass du alles korrekt machst. Aus welcher Richtung kommt das Wetter? Könnten Unfälle mit Bäumen oder Felsschlägen passieren? Treffen wir auf wilde Tiere – von der Zecke bis zum Tiger? Wenn du dir solche Fragen vorab stellst, ist das die halbe Miete.
Die Schweiz ist klein und dicht besiedelt. Macht das Üben von Survival-Skills trotzdem Sinn?
Der Menschendruck in der Schweiz ist tatsächlich massiv. Für mich macht das Bushcraft aber interessanter. Denn es verlangt Wachsamkeit. Und von dieser erhoffe ich mir mehr Verständnis für die Beziehungen, die unsere Welt regieren. Alle lieben die Natur, aber wenn sie in der Form eines Wolfes daherkommt, wird erst einmal geschossen. Ich denke, wir können unsere Welt nicht nur wirtschaftlich bewerten. Auch die vorübergehend unangenehmen Situationen gehören dazu.
Setzt du auf ausgeklügelte Ausrüstung oder bist du eher minimalistisch unterwegs?
Ich bin definitiv kein Materialfreak. Mein Poncho von Exped ist bald 20-jährig. Was gut ist, bleibt gut. Ultralight-Ausrüstung gegenüber bin ich etwas skeptisch eingestellt; bei mir würde sie zu schnell kaputt gehen. Für besondere Projekte hat sie jedoch auf jeden Fall ihre Berechtigung. Im Langzeiteinsatz kommt das Material aber an seine Grenzen.
Musstest du deine Survival-Fertigkeiten auch schon unfreiwillig nutzen?
Da denke ich an die sechs «P's»: Proper Planning and Practice Prevent Poor Performance! Ich habe gerne immer etwas Reserve dabei. Einmal war ich wegen der Flut für eine Nacht in einer Flussbiegung blockiert. Ein Freund und ich wollten im Rahmen eines Survivalkurses der Gruppe entgegenwandern, aber flussaufwärts gab es ein Gewitter. Der Canyon zwang uns, den Fluss in jeder Kurve zu durchqueren, bis die Flut plötzlich unseren Weg versperrte. Sie blockierte auch den Rückweg und nun kamen auch grössere Baumstämme den Fluss runter. Deshalb haben wir die Nacht an Ort und Stelle verbracht. Ich hatte mein Reservematerial dabei, eine Decke und meinen Poncho. Es war ungewollt, aber trotzdem gemütlich. Am Morgen war die Flut vorbei und wir erreichten die Gruppe. Sie hatte vor dem Canyon übernachtet und von der Flut nichts mitbekommen.
Was fasziniert dich daran, im Winter draussen zu sein?
Die kalte Jahreszeit verlangt viel. Deine Fehler kriegst du direkt zu spüren. Der Winter verlangt auch mehr Reserven, die Kälte wirkt bei Problemen wie ein Vergrösserungsglas.
(Mit der TransaCard immer kostenlos)